Sonstiges
So Long, and Thanks for All the Zwiebelfisch
vom 14. August 2020

Also gut - ein Zwiebelfisch bedeutet im Buchdruck-Jargon soviel wie ein fremder Buchstabe in einem Text - nicht jetzt ein falscher sondern eher ein Buchstabe mit einem anderen Schriftschnitt oder einer anderen Schriftart. Ja - das passierte natürlich nur zu den guten alten Schriftsetzer-Zeiten - zu Zeiten also wo Textproduktion die Hölle gewesen sein muss. Ständig alles spiegelverkehrt erleben. Copy and Paste war so auch nicht besonders unumständlich und Veränderungen im Schriftbild, dem Design, dem Layout - das konnte schon mal eine ganze Tagesarbeit umwerfen. Aber dennoch: Dieses eine fette e inmitten eines sauberen Text - das stört nun mal ...

Nun hat aber die deutsche Sprache, neben all ihren Regeln und Gesetzen, Normen und Empfehlungen, ästhetischen Bedingungen und natürlich dem Einfluss des Zeitgeistes auf die Sprache immer noch ein wesentliches Merkmal - aus irgend einem obskuren Grund wird sie verstanden. Ob sie richtig verstanden wird ist nicht das Thema - nur allein weil richtiges verstehen doch nichts mehr als den Ausbruch aus dem subjektiven Solipsismus ist, bzw. die glückliche Fügung einer Schnittmenge zwischen der Käseglocke des Sprechers und der Käseglocke des Verstehenden. Und Verständnisproblem sind selbstverständlich auch über Geschlechterrollen hinweg möglich - obgleich man meinen möchte, dass auf einem Kaffee-Kuchen-Soiree mit den Klatschtanten höchste kommunikative Übereinstimmung existiert und eben gleich auch zwischen zwei oder mehr Anhängern von Rapid Wien wenn sie den letzten Ausgang des Matches ausdiskutieren. Ja - Verständnis gibt es. Dabei ist die Frage, ob Verständnis von Verstand oder eher von verstehen ableitbar ist sekundär. Sprachwissenschaftler_innen, Philologen_innen und Germanisten_innen - ja selbst frankophil Gemeingebildete streiten gerne über Nebensächlichkeiten - selbst dann, wenn ein deutscher Satz verstanden wird - oder vielleicht gerade dann. Da hagelt es Kritik - n oder m - dem oder den - wenn die Mitmenschen nicht aufhören an solchen Dingen sich zu brüskieren - wird auch die nächste Grammatik-Reform eine Verschmelzung von Genitiv mit Dativ zur Folge haben. Dann haben wir nur mehr drei Fälle, statt der sieben die wir noch zu Lateins-Zeiten hatten. Zitiert man einen Text der einen Fehler in sich trägt (man will hier hervorheben, dass es sich nicht um einen Denkfehler handelt) so wird dieser Fehler mit einem recht schroffen aber selbstbewussten [sic!] quittiert - am liebsten bei  einem orthographischen Sakrileg, den dieses ist meist indiskutable - meist indoktrinativ genug für Menschen die duden.de als Startseite ihres Browser gewählt haben. Ich persönlich wäre lieber dafür, eine sprachliche Verfehlung mit [SICK] zu kennzeichnen - schön plakativ hervorgehoben durch die Versalien und am besten gleich in Fettschrift - da doch [SICK] englisch für überdrüssig, schlecht, übel, krank usw. steht. Warum der Mensch sich so gerne an den Verfehlungen seiner Mitmenschen (ärgert) bzw. (erfreut) [weil sein Ärger seine einzige Freude ist] ist noch nicht geklärt - bzw. mir noch nicht zugetragen worden. Drei Sekunden vor der grünen Ampel - HUPKONZERT von HINTEN. Die Verkäuferin gab eine falsche Information zur aktuellen Tiefkühl-Knödel-Aktion - pure Bosheit wird ihr unterstellt. Und wendet sie sich ab - nur weil sie in einer Welt mit ca. 4000 Produkten langsam den Überblick verliert - man bezichtigt sie der Anmaßung. Ein Radfahrer fährt am Gehsteig - purer Wahnsinn, der da vorherrscht - am liebsten will man diesen Radfahrer sofort internieren. Das ist das gesellschaftliche Phänomen unserer Zeit - und dieses Phänomen macht auch nicht in den akademischen Kreisen eine Ruhepause. Ein Tippfehler - eine falsche Grammatik - ein schlechtes Deutsch ➙ Man will schon gar nichts mehr publizieren in einer Welt, wo eine Publikation durch einen einzigen Mausklick passiert. Aber, ich lese gerade ein sehr erbauliches Büchlein: "Dem Dativ ist dem Genitiv sein Tod". Naja - die meisten würden sagen: "Das ist doch so 2007 [retro]" - aber ich habe das Machwerk für weniger als 50 Cent in einem Carla-Shop erworben. Für jene die es nicht wissen - Carla steht für Caritas Laden und dort bekommt man Bücher zum Kilopreis. Menschen die ihr altes Zeug (auch Bücher) nicht mehr benötigen oder nicht mehr wollen, bringen das alte Zeug (auch Bücher) dort hin und spenden es. In den Carla Läden werden die gespendeten Güter (auch Bücher) verkauft und einem guten Zweck zugeführt. Tolle Sache - ich gehe wirklich gerne dort hin. Gesellschaftlich muss man vielleicht auch ein wenig kritisch bemerken: "Überall wo vorher ein gut gehendes traditionelles Geschäft Insolvenz anmelden musste - entsteht einer von diesen Carla-Läden. (Na gut, nicht überall, aber doch sehr oft) Und so gibt es schon eine mittlere Vielzahl von diesen Läden. Der Konsumterrorismus in den Köpfen meiner Mitmenschen zwingt sie Neues zu kaufen und Altes abzugeben - der gute alte Flohmarkt boomt genauso, jedoch wer will das Zeug schon kaufen? Wir brauchen einfach mehr Flüchtlinge die mit Nichts kommen und sich über € 0,50 Bücher freuen, so wie ich es tue. Ach ja - ich schweife ab - Bastian Sick und seine Kritik. Um ehrlich zu sein - ich liebe seine Arbeit. Sie hat mir selbst die Augen meiner eigenen Inkompetenz geöffnet und trägt damit auch einen enorm wichtigen Beitrag zu meiner eigenen Selbstreflexion bei. Genauer genommen, lebte ich beim Lesen in einer Welt von Dingen die ich schon wusste und Dingen die mir gar nicht so bewusst waren. Seine Kritik richtet sich hauptsächlich gegen Journalist_innen, Werbetexter_innen und Politiker_innen - aber mich bewegten seine Anregungen doch sehr. Natürlich fühle ich mich deswegen nicht sofort schuldig, nur weil ich eine sprachliche "Besonderheit"  des Konsens des Gros übernommen habe. Nur allein, ich gehöre nicht der Hauptkritikgruppe an - wäre seine Kritik gegen das schreibende Volk generell gerichtet, so wären seine Würdigungen (ob nun negativ oder positiv) definitiv niemals zum Gesprächsthema der schreibenden Highsociety geworden. Ich will es aus meiner Position heraus erklären. Die Philosophie, mein Hobby - die Informatik, mein Broterwerb - das Schreiben, meine Profession. In der Philosophie geht es zu wie in einem Gerichtsprozess, wo jedes Wort (in diesem Falle eher wie jeder Gedanke) protokolliert wird. Wenn nun aber die Gedanken in einer Geschwindigkeit fließen, wo es selbst einer geübten Stenotypistin schwer fällt, jedes Detail zu erfassen, da leben wir in der Welt der Philosophie. Und der schreibende Philosoph kann nicht mehr machen, als Fragmente des gesamten Gedankenkonstrukts niederzuschreiben. Im philosophischen Prozess ist es also mehr ein Wunschdenken, grammatische Formulierungen im Duden nach-zu-schlagen. Schulbücher schreiben schon: "Philosophen neigen dazu die Gesetze der Sprache zu ignorieren um den Gedanken zu erfassen" - und es will ihnen nur im besten Falle gelingen. Aber: Leben wir in einer Welt der Dichter und Denker? Nein - ich als Österreicher sowieso nicht, deshalb bin ich befreit vom Stigma. Aber selbst die Anderen - die Dichter, die sich den Normen der Sprache verpflichtet fühlen sollen und die Denker die sich einzig und allein dem Gedanken verpflichtet fühlen müssen, sind in ihrer Ausdrucksform der Kritik des_der Leser_in unterworfen. Möge er_sie eine Kritik auf rein germanistischer Wissenschaften führen - der_die Philosoph_in könnte aufatmen - kein Denkfehler - nur ein Tippfehler - nur ein Zwiebelfisch. Deshalb liebe ich Bastian Sick. All seine Kritik richtet sich im Endeffekt gegen sich selbst. Alles ist nebensächlich - der Gedanke mag stimmen oder falsch sein - die Formulierung steht im Fokus. Seine Ironie bzw. sogar zynischer Sarkasmus verflacht und ist nicht mehr als der affektive Teil der kognitiven Selbstreflexion. Gut so - nur weiter so! Ich will mir auch die anderen Bücher des Bastian Sick kaufen - sobald sie in einem Carla zum Kilopreis verkauf werden. Ach ja - hier noch ein Wink mit dem Zaunpfahl: Wo noch in einem auf der deutschen Sprache basierenden Text, ein Fehler oder sogar mehrere Fehler (mögen sie schwerwiegend sein oder nicht) im Grunde überhaupt keine Auswirkung auf das Verständnis haben, so ist es in der Informatik etwas anders. Es werden Programmcodes geschrieben. Es werden für diese Codes Funktionen, Methoden, Eigenschaften und was weiß ich noch alles definiert. Die logische Konstruktion dieser Codes ist auf eine ganz überschaubare Latte an Begrifflichkeiten determiniert. Sie haben natürlich ihre eigenen Gesetze (aber das ist erlernbar). Der große Unterschied zwischen einem Script der Informatik und einem Text des deutschen Gesetztes besteht darin, dass ein Script der Informatik, schon bei einem einzig falsch gesetzten Zeichens (z. B. einem fehlenden Semikolon) das gesamte Script unausführbar macht. In weichen Programmiersprachen wird wird eine solche Verfehlung als Warnung ausgegeben - das Gesamtkonzept soll aber nicht darunter leiden. In den härteren Programmiersprachen ist ein einziges (falsches) Zeichen Grund genug - nichts zu tun. Die Suche nach dem einen Fehler - der alles blockiert, wird erst in der Informatik zu ihrer Blüte gebracht - die Kritik daran ➙ fundamental. Aber selbst - bringe ich Worte ein, die nicht der "schönen Sprache" entsprechen - ich wette, der Text wird in der Wissenschaft der Germanistik trotzdem verstanden!

Sie quälten mich mit dem Verlust meiner Kopfhaut - aber ich denke mir, das ist nun mal der Lauf des Lebens. Aber wenn die mich jetzt auf einen Nord-Sex-Pullover reduzieren wollen, so bin nur ein sexueller Sklave meiner eigenen Bestimmung! Irgendwie so ähnlich: "Den Olaf kenn' ich nur vom Töpferkurs" und die generelle Frage: "Was denn für ein Schloss?" - "Die Hitze der Stadt ist im Sommer ➙ brutal" - "Jeder geht wie man so sagt, 'spliternackt'"! - "was ihn ziemlich erregt - weil die Erregung zur Extase führt, sollte die Extase das Ziel der Erregung werden!" -  weil will man die jüdische Indoktrination endlich ernst nehmen, und aus dieser Ernsthaftigkeit das Wesen seines Daseins neu denken zu dürfen - so wären vielleicht auch die Protokolle aufschlussreicher!

Thomas Maier
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