Noch vor weniger als 24 Stunden war ich hasserfüllt in die Egographie eines "rechten" Professors für Deutsch und Philosophie an einem x-beliebigen Gymnasium der Hauptstadt, vertieft. Naja, hasserfüllt ist definitiv übertrieben. Und ob er sich selbst als einen "Rechten" titulieren will, sei auch dahingestellt. Er sieht sich eher als einen, der von Links eine herbe Entäuschung nach der Anderen erfahren hat und sein tiefsitzender Wunsch nach Karrerie einfach nicht in Erfüllung gehen wollte - trotz all dem vielen politischen Engagement. Mir kullerten die Tränen beim Lesen - mitzuerleben, wie das traurige Leben eines Lehramtsabsolventen in einer Ewigkeit als einfacher Professor für Deutsch und Philospie endet.
Ja genau, es war nicht Hass, sondern tiefe Traurigkeit die in mir erwachte und hätte der Protagonist seiner eigenen Lebensgeschichte noch einige wertvolle didaktische bzw. pädagogische Statements schwarz-weiß hinterlassen - Gott, die Traurigkeit würde sich sofort in Mitleid wandeln. Aber das wäre nicht Seines (und auch nicht Meines). Haben wir uns doch beide durch einige Seiten von Nietzsche durchgequält und so ist "Mitleid" abträgig in unser beider Wunsch ein Über-Mensch zu werden - und wenn auch nur ein Über-Lehrer (das allzumenschliche resultiert). Und weil er, laut seinem Buch, dran und drauf ist den Antichrist zu lesen - in einer Idylle aus österreichischer Naturlandschaft pointiert durch sein Automobil dessen Blaupunktradio das notwenige Musikbett für seine Lesebemühungen liefert - und ich den Antichrist auf meiner Do-Read-Liste ganz oben (aber halt noch nicht gelesen) habe, ringe ich mir den notwendigen Respekt gegenüber seinem internierten Wissensvorsprung ab. Mehr noch: Die Tatsache das der Mann sicher 100 Jahre älter ist als ich und um 200 Jahre mehr Praxiserfahrung hat, sollte mich krumbuckelig und niederknied vor ihm in den Staub werfen. Aber irgendwie, halt: jetzt weiß ich es, es war nicht Hass oder Traurigkeit sondern mein tiefsitzendes ironisches Gemüht hat einfach zu laut gelacht - beim Lesen. Ironie ist aber kein anerkannter Gefühlszustand, also verspührte ich doch nur eine Art Übelkeit - beim Lesen. Nein, nein - dieses "mir wird so übel Feeling" ist doch zu plaktiv, zu Nietzechresk - es war, und jetzt bin ich ausnahmsweise grund-ehrlich, was meine Gefühle betrifft: Pure Motivation! Ich verspürte tatsächlich, diesen unstillbaren Drang, dieses Verlangen, die aufkommende Energie, die Kraft - gewonnen aus seinen Worten - das Buch endlich zu Ende zu lesen um es rasch Ad-Acta legen zu können. Warum lese ich auch jedes Buch mit Vorwort (sogar leidenschaftlich die Widmung davor) bis zum inklusive Nachwort? Warum sogar nachher noch den Marketing-Text an der Rückseite des Covers? Warum habe ich nicht die Gabe und Muse nach der Seite 20 ein Eselsohr ins Buch zu heften um es dann zwischen all den anderen Büchern versinken zu lassen? Sicherlich nicht, weil ich zu jenen gehöre, die da sagen: "Das darf man einem Buch nicht antun - ein Eselsohr, ein Knick in der Seite oben, den aufgeschlagenen Bogen auf den Tisch legen - das macht doch das Buch kaputt!". Aber nicht meine Bücher - die sind vollgeschmiert mit Kugelschreiber-Strichen, der Rücken zerborstet und überhaupt wäre es schon wieder Zeit meine "Sammlung" als Spende zur Stadtbibliothek zu bringen. Ich meine Entweder-oder: Ich horte sie oder ich kaufe mir ein weiteres Billy-Regal. Ja, ich gebe es zu - ich habe mir wieder ein Billy-Regal gekauft. Aber zu meiner Verteidigung: "Da steht meine Sau-Geile-Stereo-Anlage drauf" - nur deshalb. Die leeren Fächer unter der Stereo-Anlage, schreien förmlich danach gefüllt zu werden und ich überlege schon - mit was? CD's im MP3-Zeitalter? - sinnlos! Lustige Deko-Gegenstände - ach was. Gut, dann tue ich einfach die guten Bücher dort rein, und den anderen geistigen Müll in die frei-gewordenen Fächer meines alten Ablage-Systems. Aber dann ist wirklich Schluss - die Überlegung Overhead-Regale zu montieren sollte ich definitiv verwerfen - das wäre sowieso sinnlos - ich lese sie sowieso nicht ein zweites Mal! Gut, bei Hesse ist es mir einfach passiert und bei Kafka juckt es mir unter den Umblätter-Finger - aber bei Dürrenmatt tue ich es sicher niemals. Seine Texte sind mir zu Gott-Gleich, als das ich sie unter der Prämisse eines "hermeneutischen Zirkels" nocheinmal lese. Die Vorstellung allein, nochmals das Dürrenmattsche Labyrinth zu begehen um dann in der markellosen Gedankenwelt des F. D. einen Schnitzer zu finden. Ich will ihn weiterhin als Gesandten des Apollo wissen - als eine Art Meta-Gottheit unter dem schreibenden Volk. Die Alte, die zwei Zeuge ein Rest-Leben in einer ihrer Opium-Höhlen gewährt, der Physiker - frei aber eingsperrt, der Schatten eines Esels als Grund für Tumult und Aufruhr, ein Herkules der für Geld sich vor dem Publikum verbeugt, die kriminelle Bank, die besoffenen Juristen und ein Chemiker der Leichen beseitigt - alles aufzulisten wäre Blasphemie. Ach ja - der Grund für dieses Posting war ja, das kleinkarrierte Leben eines unzufriedenen Deutsch-Lehrers zu kommentieren. Eines Menschen, der die Möglichkeit und Bühne hat, über Texte mit jungen Menschen zu sprechen - zu reden - ihre Gefühle zu erfahren. Aber was tut er - über die 290 Seiten - sich beklagen über die mangelnden Sanktionierungsmöglichkeiten innerhalb des pädagogischen Prozess. Die Schwierigkeit ein Nicht-Genügend zu geben - über die Schwiergkeit einen Schüler zu repetieren - über die Schwierigkeit einen Schüler von der Schule zu verweisen. Hätte ich nur einen Einzigen (unter Hundert) der das Genie Dürrenmatt erkennt - sei es auch nur vermittelt durch eine der zahlreichen Verfilmungen - ich würde im kurzen Moment meines Lehrerdaseins ein Glückgefühl versprühren dass sich durch keine Gehaltsabrechnung ersetzen lässt. Die Möglichkeit durch einen meiner Schüler|innen über das Genie "Dürrenmatt" in Kontakt zu treten - weit über dem Gefühl aus dem Ich über die Sache zum Wir zu gelangen, ist höher zu bewerten als all die Incentive-Forderungen eines noch allzu-kreativen und zugleich einseitigen Verlangen die Erfüllung als Buchungszeile auf dem Kontoauszug zu sehen. Die Vorstellung, einen Schüler reden zu hören, wie er oder sie über einen Text von Dürrenmatt spricht, der mir eine Nähe gewährt - die auf Genie beruht - würde meine Einseitigkeit allem Seins kurzeitig den Schranken weisen und im Moment der Gemeinsamkeit mich als ein Teil von einem von Tausend fühlen lassen. Ich würde vielleicht meinen Solepsismus verlassen und mit Genie-Vertrauen ein Teil des Jetzt-und-Hier werden - einer von euch und zugleich einer von Ich zu sein. Ich bin keiner von jenen Idealisten, der dem Irrglauben von einer modernen und besseren Pädagogik aufliegt. Das die Präsenz meines Ichs allein ausreicht, um Brücken zu sprengen und Fundamente zu errichten. Es ist kein Altruismus in mir - sondern einzig und allein, der Wille und Wunsch aus meiner eigenen solipisitischen Käseglocke auszubrechen in der Bestätigung meiner mir Anvertrauten - die mich von dem Befreien, was ich mir selbst als jene unbeschreibbarkeit geschaffen habe. Es ist die reine Reflektion, die sich aus dieser Tätigkeit ergibt - und die Tätigkeit selbst ist im Grunde nur ein komunikativer Prozess - wir werden uns noch freuen! So wie ich hier sitze und meine Worte (gezählt durch eine JavaScript Funktion - die die Leerzeichen zählt) um damit die gewünschte Anzahl an Worten zu produzieren frage ich mich, ob es bei einem Text tatsächlich um Quantität und der messbaren Anzahl von Tipp-resproduktive-Schreib Fehlern geht. Kann es sich nur um das Erscheinungsbild von Text handeln? Muss Text wirklich nur rein ideographisch, synkratisch, als Mischform von Sylogismen verstanden werden? Ich als als Informatik|lehrer|in habe darauf keine Antwort(en)!