Pädagogik
Konventioneller Unterricht
vom 17. Januar 2019

Fünfte Schulstunde in einer beliebigen Unterstufe. Am Stundenplan steht Deutsch und  auf dem Ziffernblatt der großen Bahnhofsuhr im "Multifunktionsaufenthaltslernflur" touchiert der große Zeiger den kleinen und beide zeigen auf die Zwölf. Traditionell eine Zeit, wo gerne Mittag gemacht wird. 30 Minuten plus minus - das geht schon in Ordnung aber die fünfte Stunde biegen wir noch runter. Diese 45 Minuten werden sicher nicht das kosmische Zeitgefüge aus den Angeln heben um so zu einem Supergau der geladenen Gewohnheiten explosionsartig unsere Realität auszulöschen im Stande wäre. Alles kein Problem - keine Panik auf der Titanic.  12:45 Uhr - dann ist diese Deutschstunde zu vorbei.

Und der Administrator dieser Schule hätte auch hier schon eine Mittagspause von 20 Minuten einplanen können - aber die 6. Stunde (von 12:55 bis 13:40) noch schnell reinpressen - schließlich ist an vier der fünf Schultagen nach dieser 6. Stunde sowieso Schluss weil der Admin genialerweiße Religion oder Bildnerische Künste dorthin verlagert - Fächer die auch mit leeren Magen schaffbar sind. Aber dann ist schon ist zeitlich - der Admin rechnet: Die Frühschicht in der Fabrik beginnt um 06:00 Uhr und endet 8 Stunden später um 14:00 Uhr - Papa kommt also rechtzeitig zum gemeinsamen Mittagessen um 14:30 Uhr - für eine funktionierende Familie einfach unentbehrlich - dieses gemeinsame Mittagessen und zuvor das gemeinsame Frühstück, das ja so nicht stattfand - weil man den bzw. die liebe|n Kleine|n nicht um 5:00 Uhr wecken will - nur für dieses gemeinsame Frühstück. Aber mein Gott - was soll man machen? Das Eine ist mit dem Anderen möglich - ansonsten hat man doch noch ein entweder-oder. Und wenn zwischen 05:00 Uhr und 14:30 Uhr keine Mahlzeit passiert - das interessiert wohl doch nur den Ernährungsberater bzw. |in der|die an die Tür des Administrator klopft und sagt: "So nicht!". Noch immer kein Problem - keine Panik auf der Titanic! Es gibt ja noch immer das Schulbuffet mit der 'xSundn Jause (ein Kürbiskernweckerl mit Kräutercremeaufstrich und Salatbeigabe) und im Süssigkeitenautomat wurde Mars, Snickers und Milka verbannt. Er liefert per Knopfdruck einen frischen steirischen Apfel oder halt eine Orange. So oder so - Fast Food, weil die sozialisierende Wirkung eines gemeinsamen Essens weiter ignoriert und durch Vitamine und Nährstoffe beschönigt wird. Aber genug Energie für die 5 bzw. 10 Minuten Pause zwischen Englisch und Mathematik - verhungern wird sicher kein Schüler! Außerdem ist nicht jeder ein Schichtarbeiter - Doktoren und Ingeneure haben sicher Gleitzeit. Sie können sicher ihre Arbeitszeit so planen, dass auch das Familiäre, das Gemeinsame wieder in den Fokus gerückt wird. Schließlich ist die Entwicklung in der Familie ebenso wichtig wie die Entwicklung in der Schule - für die Kinder natürlich (was wirklich prägend ist, können Psychologen gerne auf Anfrage beantworten). Aber egal - funktioniert die Familie (eben wegen so nebensächlichen Dingen wie der Existenzsicherung) nicht, dann kann man doch jederzeit die SPÖ wählen die dann die Erziehung auf eine soziale Stufe stellt und den jungen Leuten dann eine Ganztagsbetreuung mit einem Mittagessen dazwischen anbietet. Gut, es ist ein Essen mit Freunden (bzw. Arbeitsfreunden) und nicht mit den Lieben der Familie - aber, in der Werkskantine geht es nicht anders zu. Naja gut - in der Schule gibt sicher nicht das Käsekrainer-Trio aus der Mikrowelle - sondern, eine Mahlzeit mit Suppe und Salat (manch einer würde darin schon den Himmel auf Erden erahnen). Danach die Nachmittagsbetreuung - die Ganztagsschule, Hausaufgaben werden gelöst - mit Hilfe und Kontrolle und bis 15, 16, 17 Uhr noch Spiel, Spass und Sport. Danach Family and Friends - Sparetime nach all dem Spiel, Spass und Sport. (Oh hätten wir nur ein Bachlorstudium für die Ganztagsbetreuung - es soll nicht unprofessionell passiern). Aber - in einer Demokratie wählen halt nicht alle die SPÖ - nur allein, weil der|die Wahler|in in einem sozialistischen System ihre eigene Armut vermuten - nur weil die Armut an anderer Stelle bekämpft wird - eigentlich für alle anderen aber nie mich mich! Und so lebt der verkehrte BOBO in einer Welt, in der er links lebt aber rechts denkt. Und ich selbst habe in einem Gespräch etwas erfahren auf die Frage: "Was sollen wir mit dem Geld machen, wenn wir damit keine Arbeitslosen und Asylwerber unterstützen? Sollen wir uns einen oder zwei neue moderne Panzer kaufen?" - die Antwort: "Ja, das wäre mir lieber!". Aber ich will den verkehrten BOBO nicht an den Pranger stellen und ihn mit faulen Tomaten bewerfen! Er ist ein Produkt des cinematographischen Exports der USA - er ist geprägt durch eine Philosophie dessen geistige Erziehungsberechtigte ca. 56 % des Budgets für Militär und Sicherheit ausgeben. Und das tun sie auch gut - schließlich sind es die USA die zum ersten Mal eine Atombombe auf Großstädte geworfen haben - sie müssen Angst haben - solange bei ihnen noch Geschichten der Rache erzählt werden! Oder der verkehrte BOBO ist einfach nur beeindruckt - das ein einfacher Präsident in einem Twitter-Posting die Weltpolitik neu ordnen kann - nur weil dieser Tweed mit Säbelrasseln gleich-gesetzt wird - ein Vorteil der massiven Sprengkraft eines Landes - koste es, was es kostet. Und so ist es, dass unsere Populisten mit US-Amerikanischen Ideen werben und damit auch das geistige Empfinden des Anti-BOBO ansprechen. Berittene Polizisten in Wien - wie in New York. Demontiert werden aber nur Systeme die wir uns mit "LINKS" leisten könnten - mit einem 2 % Budget für das Bundesheer ➜ jederzeit. Ja natürlich können wir mit sowenig "Schlagkraft" wenig an der Weltpolitik ändern. Gut, vielleicht gibt es das eine oder andere Land das gerne mit uns Handel treibt und uns deshalb wohlgesonnen ist - jedoch: "Angriffswaffen" haben wir keine - und das finde ich auch gut so. Wir brauchen das auch nicht. Wir müssen nicht 300.000 Euro für ein Eurofighter-Manöver ausgeben. Das müssen wir wirklich nicht. Wir haben eine günstigere aber effektivere Landesverteidigung. Wir haben die älterste Militärakadmie der Welt. Unsere Offizier sind besser geschult - so wie jeder Soldat - und diese Schulung - dieses Wissen - diese Kompetenzen werden uns auch mit einem 2 % Budget für die Landesverteidigung vor Agitatoren beschützen und bewahren. Wir werden Angreifer auf unsere Berge führen, wo sie entweder erfrieren oder wegen Erschöpfung aufgeben. Wo sie mit ihren Dronen Lawinen auslösen die ihre eigenen Basen zerstören - wo sie allein durch die Bergluft in einen Rausch verfallen - der uns genug Zeit gibt um uns zu helfen - um uns vor Feinden zu bewahren, die es nicht gibt. Nur allein, es gibt sie nicht, weil wir gut sind - weil wir neutral sind - weil wir der Gewalt eine Abfuhr erteilt haben. Und so können, diese Millionen Euros, die wir uns erspart haben, indem wir keine "hochmodernen" Angriffswaffen kaufen, für unsere Ärmsten verwenden. Für humanitäre Hilfe an Flüchlingen und Menschen in Not - für unser Sozialsystem - für unser Gesundheitssystem - fur unsere Bildung. In Mitten der fünften Stunde in Deutsch passiert alles das, was meine Ausschweifungen bisher dargelegt haben - jedoch es passiert nebenher - heute, jedoch nicht immer. Denn heute haben die Schüler|innen der 5.ten Schulstunde ein Diktat vor sich. Die Lehrerin ist pünklich in der Klasse - die Schüler|innen haben ihr Diktatheft geöffnet. Natürlich wird nur auf der linken Seite des Heftes geschrieben - die rechte Seite bleibt frei für die Kommentare der Lehrerin. So blättert also der Schüler am Ende der Seite zur nächsten über - wie es das Wesen eines Schriftstück verlangt - und weil er Rechtshänder ist (so wie viele) liegt sein gesamter Arm über dem anderen Blatt. Die Lehrerin (geschult auf den konventionellen Unterricht) kennt natürlich die Diktatgeschwindigkeit - sie kennt ihre Lesegeschwindigkeit - sie kennt ihre Vorlesegeschwindigkeit - sie kennt die Geschwindigkeit des Schülers. Das macht ihr auch nichts, denn es liegt sowieso dieses Prickeln in der Luft - diese Elektrizität, die Haare zu Berge stehen lässt, aber nicht noch genug ist, um ein E-Kraftwerk zu betreiben. Ein Diktat - ein Diktat. Implizit natürlich eine Lehrzielkontrolle - explizit eine Lernzielkontrolle. Dem Schüler wird die bevorstehende Bewertung bewusst - er|sie muss sich beweißen. Viele neue Wörter - viele schon bekannte Wörter. Jetzt bloss keinen Schnitzer - schon gar keinen bei eh schon bekannten Worten. Das Diktatheft ist unerbittlich - es zeichnet die Wahrheit auf - so wie sie passiert. Es geht darum, den jungen Schüler|innen klar zu machen, wie sich die Spracheingabe von Google fühlt - wenn sie später dann einmal ihre vorwissenschaftliche Arbeit ins Smartphone dikitieren. Das Diktat muss weiter leben - darf niemals an Bedeutung verlieren - weil es doch eine Form der Kommunikation ist, die die Überprüfbarkeit der eigenen Wahrheit transportiert. Und so läuft die LZK im Unterricht weiter. Ein Polaroid gibt uns ja so treffend die Wirklichkeit wieder - so wie ein Diktat sich eigentlich nicht vom vorgelesenen Text unterscheiden darf. Die Spannung im Unterricht ist jedoch für die Lehrerin nicht mehr als ein Eintrag in einen der vielen Kataloge, die sie mitschleppt - die sie zu füllen hat. "Diktat 3.4 Seite 45" der Eintrag eines Events für den Lehrer und ein Happening für den Schüler. Der konventionelle Unterricht verlangt von der Lehrperson, dass sie|er dieses Dikat auch nachbearbeitet - es kontrolliert - es bewertet und aus der Bewertung heraus eines von vielen Urteilen über die Leistungsfähigkeit des|der Schülerin darniederlegt. Beide (er und sie) haben so viel Einsatz gezeigt - so schmerzhafte Erfahrungen in den Händen gespürt - so viel Spannung erlebt. Ein Feedback dafür wäre wohl das mindeste. Wir sind noch immer im konventionellen Unterricht - und wäre er nicht so standardisiert und von oben herab gelehrt - dann hätte wahrscheinlich dieses Mädchen in der 3. Bankreihe nicht zu weinen begonnen. Trännen des Stress? Aber Tränen und Tränen sind ein Indikator für den Lehrer seinen Unterricht zu hinterfragen - sein Diktat zu hinterfragen. "Warum weinst du?" - "Ich kann nicht so schnell schreiben" - "Dann lass einfach einen Satz aus!" - und bei der Beurteilung fällt dieser fehlende Satz auch nicht auf! Ein Satz mehr oder weniger - was soll's?  Bislang dürfen wir der konventionllen Lehrerin vieles unterstellen, aber eines sicher nicht - Faulheit. Sie gibt doch regelmäßig Hausaufgaben auf - 43 im Schuljahr. 43 mal 25 Schüler|innen sind allein für diese eine Klasse 1.075 Bewertungen pro Jahr - also mehr Hausaufgabe für sich selbst als für den einzelnen Schüler bzw. für die einzelne Schülerin. Der konventionelle Unterricht verlangt es - und wie schon Ostbahnkurti gesungen hat: "Weil in da Arbeit - in da Arbeit muaß ma ollas geb'n. - siehe Songtext des Lieds 'Arbeit'". Und genau so wird die Komponente Arbeit des Lehrers auf eine höhere Stufe zur Arbeit des Schülers gestellt - für den Schüler nicht begreifbar - für Eltern nebensächlich - da sie die anderen 24 nicht sehen. Der konventionelle Unterricht geht aber weiter - und so schleppt sie brav die 25 Hefte mit nach Hause, wo sie brav und sorgfälltig die leichten Fehler mit einem roten Strich markiert und die schweren mit zwei roten Schrägstrichen anzeigt - das allein ist aber noch nicht ihre intellektuelle Leistung - so etwas könnte auch ein Affe mit JavaScript Kenntnisse lößen - nein, sie notiert aus diesem einen Diktat Auffälligkeiten bzw. Konformität und deduziert damit ein Notenbild - eine Graduierung der Leistung die sowohl einer Kontrolle des Landesschulrats als auch der begierigen Fragen der Eltern standhalten kann. Sie kennt die Bedeutung dieser Notenskala (sie weiß, um die Graduierung in 5 Stufen bescheid). Sie weiß auch, dass es keinen großen Unterschied ergeben würde - täte sie ihre Beurteilungen auf eine 100-Grade-Skala ausrichten - (der Schüler hat 87 % des Lehrstoffes erreicht. Von Fünf bis Eins ist ihr berufliches Leben determiniert - und das tut sie auch gerne. Will sie durch die Noten eine Art Macht ausüben? Will sie durch die Noten eine gesellschaftssttabilisierende Funktion ausüben? Will sie durch die Noten ein Feedback geben - ja - ja - ja. Aber, sie kennt die Noten noch von früher - und so wird aus den Grundsätzen einer objektiven und validen Benotung eine Erringung an ihre eigene Schulzeit. Das ist das psychologische Moment des konventionellen Unterrichts - die Visualisierung der eigenen Schulzeit und das Transponieren der Erfahrungen auf das reale jetzt und hier. Und damit unterliegt sie einer breit aufgestellten Kritik - die ihr Verhalten auf die Methodik des "Frontalunterrichts" reduziert - sie erlaubt sich die Meinung, dass Frontalunterricht seine Berechtigung hat - und trifft damit auch meine Einstellung - Frontalunterricht als eine Methode zu betrachten - eine unter vielen. Da sie nunmal mit der Dokumentation von Schülerleistungen ebenso beschäftigt ist, wie mit der Deduzierung ihres eigenen Unterricht - und damit einem Hinterfragen ihrer eigenen Persönlichkeit - ihrer Lehrerpersönlichkeit - ergibt sich für sie selbst tag-täglich ein Entwicklungsauftrag der sie selbst als Maßstab allem sieht und sich selbst dem Maßstab von allem gerecht werden will. Aber der konventionelle Unterricht geht weiter. Er ist den Rahmenbedingungen unterworfen - und die gute konventionelle Lehrerin sieht diese Rahmenbedingungen in einem Rechtskodex niedergeschrieben. Sie will also SchUg und SchOG Wort und Beistrich folgen - doch das sind nicht die Rahmenbedingungen, die die Gesellschaft verlangt - und mit Gesellschaft meine ich in diesem meinem Blog mich - die ich nicht will. Ich als kritischer Schreiber möchte die konventionelle Lehrerin niemals auf die Schulgesetze reduziert wissen. Ich, als Repräsentant von Gesellschaft will das die Lehrerin die Zukunft der Gesellschaft - die Zukunft von Österreich - die Zukunft von allem bildet. Ich will, das diese Lehrerin die Zukunft genauso kennt, wie sie die Gegenwart versteht und einfließen lässt - nur allein, weil es die Gegenwart ist. Sie weiß darum, das ihre pädagogische Freiheit in der Methode liegt, aber nicht im Inhalt - sie weiß, das sie den Inhalt genaus gestalten kann, da Wien weit entfernt von ihrem Klassenzimmer ist und sie weiß auch, das ihr konventionelles Verhalten jenen Effekt hervorruft, der genau Wien ins Klassenzimmer bringt - selbst wenn sie ihre pädagogische Ausbildung in Salzburg, Linz oder Graz erworben hat. Eine geisteswissenschaftliche Didaktik orientiert sich nunmal an Lehrplänen, Bildungsstandards und prototypischen Unterrichtsbeispielen - eine freie Pädagogik verlangt dagegen ein gesellschaftskritisches Denken welches Curricula ad absurdum führt.

Thomas Maier
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