Pädagogik
Jenseits von Gut und Sehr Gut
vom 08. November 2019

Gibt sich der Lehrer selbst eine Note, wenn er einen seiner Schüler benotet? Betritt man das unscheinbare Gebäude nah am Stadtrand, möchte man nicht unbedingt davon ausgehen, das hier ein pädagogischer Prozess geschieht. Natürlich, man sieht Lernprodukte - besonders große Plakate, die einen Themenkomplex mit vielen Schlagwörtern in den unterschiedlichen Schriftarten herzeigen. Das Moment der Beachtung liegt aber nicht auf dem Inhalt, sondern eher die originäre Einzigartigkeit der vielen Buchstaben - die noch immer seriell und parallel verlaufen und zusammengenommen einen Sinn ergeben - zumindest auf den ersten Blick hin.

Nach außen gibt sich das Bildungsinstitut zurecht gönnerhaft. Alle Wesensmerkmale einer Heterotopie leuchten auf - Öffnungszeiten, örtliche Begrenzungen, Stockwerke, neue Medien, ein Fahrstuhl, ein Schullogo mit seinen vielen Corporate-Produkten im Anschlag und natürlich eine Schulordnung die nicht veröffentlicht wurde (und wenn, dann gut versteckt). Hat man doch das Schema F immer im Hinterkopf und reproduziert es sich nicht selbst von Schule zu Schule wieder aufs neue obgleich doch tausendmal schon gesehen. Man mag es einfach, wenn die Schuhe in Reih und Glied stehen. Das wusste schon Herbert Grönemeyer zu besingen. Und dass, architektonisch das Lehrerzimmer, das Sekretariat und die Direktion einer Schule doch immer in greifbarer Nähe sein sollten - geclustert auf den wenigen Quadratmetern die noch nicht von den Schüler|innen okkupiert wurden, ist doch wunderschön, oder? Ist es nicht Konvention, dass ein Schüler zuerst den vielbeschäftigten Verwaltungsapparat passieren muss um ein Gespräch mit der Direktion zu führen? Nicht so in dieser Bildungseinrichtung - hier, folgt man den durch die eigene Nase bestimmten logischen Weg muss man zuerst den Prinzipal überwinden um zum Sekretariat zu gelangen - welches sich durch zwei Charakterzüge auszeichnet. 1. Es scheint die gute Seele und 2. der einzige Fixpunkt in einem sich ständig rotierenden Universum zu sein. Alle anderen einfachen Lohnempfänger|innen sitzen und brüten immer an den unterschiedlichsten Stellen im Gebäude welches, wäre es konsequent zu Ende gedacht ein Labyrinth zwischen Räumen, Gängen und Stiegen und so will es auch der Zeitgeist - so diktiert es die Avantgarde der Wirtschaft. Besprechungsraum A, B und C - am besten man bucht sie, wenn man sie braucht - das Klassenzimmer on demand. Die Computerräume sind immer offen und immer zugänglich - wieso auch nicht, schließlich verbinden sie Meetingraum II mit einer spartanisch aber als eine auf den Lehrervortrag ausgerichtete Unterweisungsraumeinheit. Die Computerarbeitsplätze sind so angereiht, das keiner während der Arbeit am PC zur Beamerleinwand blicken kann - so kann Informatikunterricht einfach nicht funktionieren bzw. pädagogisch gedacht kann nur so Informatikunterricht wirklich funktionieren - wenn der Info-Lehrer ausschließlich Hinterköpfe und Rückenansichten der Schüler|innen sieht, Rektalunterricht in seiner Reinform. Und im Vergleich zu seinem Pendant, zeichnet sich der gute Info-Unterricht durch die Schweigsamkeit des Lehrers aus - Zeiten in denen der Lehrer vorne Linear den einzigen wahren Weg zum Resultat vorzeigt und die Schüler|innen diesen nachklicken, sollte nur allein wegen einer progressiven und aufgeschlossenen Auseinandersetzung mit der Dynamik der Fachwissenschaft schon nicht gewagt werden. Naja, dieser Appell richtet sich definitiv nur an Medienpädagogen (in welcher Schulstufe und Form auch immer) welche eher auf das Produkt als nach dem Prozessprinzip hinarbeiten. Die gänzliche Wahrheit des Schülerinnenprodukts ist ihre letzte Erscheinungsform und die dazu (eloquente) Präsentation. Und so muss sich der Medienpädagoge auch zurücklehnen und den Schüler|innen volle Freiheit in den unterschiedlichsten Applikationen gewähren. Der und die Schüler|in wird schon eine Lösung zum Problem finden - und mag die Lösung auch darin liegen, den Medienpädagogen um Hilfe zu Bitten (eine ebenso legitime Problemlösung wie die Spracheingabe über die Google-App mit der passenden Tutorenlinkausgabe auf YouTube). Und so soll auch der Informatikunterricht als Unterrichtsfach gar nicht Einzug finden in die Stundenpläne der Schüler|innen - gänzlich sinnlos (ausgenommen sind höhere Schulformen, aber darauf komme ich noch späters zu sprechen). Die Einrichtung eines eigenen Unterrichtsfach "Informatik" in Primär und Sekundarstufe I sollte nicht nur nicht angedacht werden, sondern muss aus pädagogischer Sicht vermieden werden. Der IKT-Bezug zu jedem Kompetenzfeld allein reicht vollständig aus um den jungen Menschen die ach so notwendigen IT-Fähigkeiten mitzugeben - mehr noch, wird der junge Mensch nicht schon in den für seine Entwicklung so wichtigen Jahren affektiv geprägt, die sich durch die Selbstwirksamkeit und der eigenständigen Problemlösungkompetenz ergibt, geformt und kann jener auch im Sinne der klassischen elektronischen Datenverarbeitung sicher nicht sofort die tieferen Grundlagen der Materie erkennen oder vielleicht erfassen, so kann er sich doch als ein IT-Profi fühlen - was mehr Fundament für eine weiterführende Ausbildung bietet, als jedes noch so mühsam erworbene ECDL-Wissen in der Sekundarstufe I tut. Deshalb brauchen wir für den Medienpädagogen in der Sek I ein anderes Berufsleitbild als es die Werteinheiten-Kolleginnen|en haben. Mag es auch noch so trist und langweilig klingen, aber EDV-Arbeit ist nun mal nicht vergleichbar mit Löwenzähmung oder Extremsportarten. Zu je 35 Bildschirmen einer Schule sollte ein Medienpädagoge bereitgestellt werden. Dieser bleibt in einem 7-to-5 Job in seinem IT-Labor und ist eigentlich immer nur dort. Er bzw. Sie muss freigestellt sein, von Prüfungs- und Bewertungsagenten - braucht keine Aufzeichnungen über die Leistungen der Schüler|innen führen. Muss aber ein umfangreiches Wissen über alle Gegenstände der Schule haben - schließlich soll er bzw. sie den IKT Bezug vermitteln - weitergeben. Der Computerraum - das IT-Labor, ist offen und immer zugänglich. Die Lehrer|innen der anderen Kompetenzfelder geben den Schüler|innen Arbeitsaufträge die am PC mit Internet gelöst werden sollen - ein Medienpädagoge wartet schon auf sie. Der gute Medienpädagoge lässt die Schüler|innen arbeiten - überwacht sie nicht oder quält sie mit Ratschlägen - er|sie greift nicht zur Maus bzw. der Tastatur des Schülers sondern versucht mit der Sprache eine Problemlösungsstrategie mitzugeben. In Folge ist dann der Medienpädagoge (und bitte ich meine beiderlei Geschlecht) nicht mehr nur auf eine einzige Klasse kapriziert sondern hat Kontakt mit eigentlich allen Schülern aus allen Schulstufen. Er|Sie baut die  Lehrer-Schüler-Beziehung auf die Affinität des Schülers auf. Fördert jene, die eine besondere IT Neigung besitzen. Natürlich klingt das so, als würde man den IK-Lehrer auf ein reines Support-Element reduzieren und ihn von seiner Lehrerrolle gänzlich entfremden und diesem Argument weiß ich auch nichts entgegen zu setzen. Schließlich sind so Dinge wie: Lehrstoffverteilung oder Leistungsbewertung und -beurteilung ihm gänzlich fremd - auch ein Elternsprechtag reduziert sich in einer wirklich großen Schule auf die Eingangsfrage: "Und Ihre Tochter war wer genau?", aber - seine bzw. ihre Eindrücke und Impressionen können pädagogische Konferenzen befruchten - davon bin ich überzeugt. Da nun nicht jede Lehrer|in der anderen Fächer ihre Schüler|innen im Rahmen einer inneren Differenzierung aufteilt oder aufteilen will, muss der Medienpädagoge natürlich Kustodentätigkeiten übernehmen - die Website der Schule, das Netzwerk usw - die moderne Technik erlaubt diese Arbeit problemlos aus seinem IT-Labor heraus (in welchem er|sie herrscht). Da nun die Ausbildung zum Medienpädagogen auf Lehrveranstaltungen wie "Unterrichtswissenschaften" verzichten kann, entstehen ECTS-trächtige Freiräume für die Kustodenvorbereitung. Die Bezahlung: "selbstverständlich ein Thema", orientiert sich an dem Lohn- und Gehaltsniveau der freien Wirtschaft für IT-Fachkräfte, reduziert sich um den Faktor "Wirtschaftsdruck" und bereinigt sich durch die sinnstifende Erfahrung der Arbeit mit jungen Menschen, welches ein Geben-und-Nehmen ist - das "what is cool in the web and the app" wird Wechselwirksam und die Jobsensation ist gänzlich eine andere, als sie in der freien Marktwirtschaft ist. So soll der Medienpädagoge auf Augenhöhe mit seinen Lehrkollegen sein - und nicht nur in der einmaligen einzeiligen Auszeichnung am Kontoauszug jeden Monats. Genug von meinen romantischen Vorstellungen der Sek I und hinüber in die Sekundarstufe Zwei - wo ich mir selbst die Rigipswände meines Studiums einreisen sollte. Wo der Versuch den Heranwachsenden seine Illusionen zwar weiter bestehen zu lassen, aber ihm die Wahrheiten der Informatik vermitteln soll. Der kontinuierliche Prozess, eine Schicht vom Vorderen - von der bunten Welt der Pixelvielfalt zu entfernen und ihn in die dunkle Wahrheit der auf Logik und Booleschen Algebra aufbauenden Informatik führen - ihn in die reine absolute Welt der Logik zu führen. Der Verpflichtung, sämtliche Illusionen einer Tiefgründigkeit der oberen Oberfläche zu enteignen um die Wertschöpfung der informatischen Wissensproduktion auf den Zahn zu fühlen. Das es ein Kommunikationsprozess ist, in welchem versucht wird, ein "Gespräch" zwischen Mensch und Maschine effektiver zu gestalten. Höre mir zu und klicke einfach das nächste mal auf genau jenen Button! Solche Simplifikationen die hinter jedem Tastendruck, jeder Mausbewegung, jedem Wischen am Display und [in ferner Zukunft] jedem Gedanken passiert, ein Grundlagenprozess einer Registersprache ist, in welcher die Information, das Input, die Eingabe einem Verarbeitungsprozess, einer Prozessorzuweisung, einer Kausalität unterworfen ist. Da sich im Kampf der vorherrschenden Logik sich die imperative Logik gegen die prädikative durchgesetzt hat, sind jene Befehlssätzen zum Dogma des Gegenwärtigen erwachsen. Nicht ohne uninteressanten Hintergrund für eine pädagogische Verwertbarkeit, da nun durch das Mittel "Logik" eine Kompetenzvielfalt vermittelt werden kann, die sich zwar am PC üben lässt aber vielmehr Auswirkungen auf eine zukünftige Berufung hat. Scriptet noch der junge Schüler eine Softwarelösung, so schreibt er in Wahrheit eine Konklusion von Befehlssätzen, die angereiht einer Progressionslogik entsprechen sollen, nein müssen. Der Softwareentwickler wird zum Offizier - der Counter-Strike-Spieler zum affektiv gebildeten Soldaten - das Schießen macht ja so viel Spass, und das Aneinanderreihen von Befehlen so viel Befriedigung. So wie sich der brave Counter-Strike-Spieler nach getanerer affektiver Arbeit an der Einstellung: "Soldier-Behavoir" geübt hat, ist dem zukünftigen Offizier nur die fade und einfältige Rückmeldung seines Debuggers Genugtuung genug. Er schnallt sich hinter seinen Logik-o-Mat, wie der körperbewusste Mann, sich in seinem Fitnessstudio austobt. Wer wohl der bessere Soldat ist? Jener, der eine logisch richtige Befehlsabfolge formulieren kann, oder jener, der sowohl psychomotorisch als auch affektiv auf ein Soldatendasein getrimmt wurde - Gott weiß die Antwort, oder mit den Worten eines Sängers: "Arschloch hoch, Amerika!". Das wir also nun, von der Version X eines Windows Betriebssystems zur Version X+² kommen, und dann im Grunde vorstellen werden, das der gleiche Sch*** noch einmal in einer graphischen Neuorientierung verkauft wird und wir dann, als Pädagogen, jenseits von Gut und Sehr Gut, das Novum verkaufen - entartet nur die Arbeit in der Sekundarstufe Zwei - der Arbeit den jungen Menschen zum Licht der absoluten Dunkelheit zu führen. Die Dunkelheit ist die Wahrheit - das Licht, ist Multiplikation von 1 und 0.  Und will es uns auch noch so romantisch vorkommen, wenn wir den jungen Menschen die Fähigkeit einen Algorithmus zu formulieren vermitteln, so bleibt die Reflexion auf seine Kompromisfähigkeiten nicht unverhüllt - dafür schreibe ich! Es ist aber keine Wahrheit, die an einem Tresen in einer zwielichtigen Bar den Eindruck hinterlässt: "Ich leide an der Erkenntnis der absoluten Wahrheit" - "Ich leide an meinem Wissen!". Es ist keine Wahrheit welche die Seele leiden lässt. Nur allein - die Informatik ist keine Wissenschaft - sie ist im besten Fall eine Hilfswissenschaft. Sie ist das Konkubinat mit einer wirklichen Wissenschaft - sie steigt mit jedem ins Bett. Nur allein, weil sie keinen Unterschied zwischen Imperativ und Prädikat macht - sie unterscheidet nicht, ob die Aussage Wahr oder Befehl ist. Und so wird der Unterricht der Informatik etwas komplizierter als es sich Auftut: "Das Lehramtsstudium an der TU" allein ist etwas wenig - berücksichtigt man, das die Patronanz der Wissenschaft durch Techniker übernommen wird. Würden Philosophen, oder philosophische Fakultät die Schirmherrschaft über diese Hilfswissenschaft übernehmen, ergibt es nur ein trauriges reduziertes Bild der Wahrheit - schlimmer noch, der Möglichkeiten. Und so verkauft sich die Hure wieder nur über das gegenwärtige Preisniveau - sie wird wieder einmal ein Knecht der Wirtschaft mit der Potenz die Wirtschaft auch wieder zu sprengen - so wenn sie es will!

Der Informatikunterricht vermittelt derart viele kognitive Kompetenzen, das eigentlich für die affektive Arbeit nur mehr wenig Zeit übrig bleibt. Schafft es der|die Inf-Lehrer|in der Sekundarstufe II seine Schüler|innen nicht von der Materie abzuschrecken, sollten die Impulse aus der Unterstufe ausreichen um den Schüler bis zur Maturität zu begleiten - und der Weg ist lang und steinig - eben gleich wie in anderen Fächern auch. Die großen Ziele der Oberstufeninformatik bestehen zu aller erst einmal darin, das Fundamentum zu gießen und viele bisherigen falsch-selbst-angeigneten Heuristiken zu sprengen um dann endlich in die Tiefen der Informatik eindringen zu können. Ich selbst, z. B. habe in jungen Jahren Bilder mit dem Browser betrachtet - es hat Monate gedauert bis ich endlich ein Bildbetrachtungtool installiert habe. Aber die Zeiten von Windows 3.1 und 95 waren sowieso geprägt durch Aufbruch- und Aufbaustimmung um die Informatik endlich für eine breite Masse zugänglich zu machen - Intuitivität war das Credo und es wurde zum Axiom. Die Möglichkeit Bilder überhaupt mit 256 Farben auf einer Auflösung von 800 x 600 Pixel zu betrachten (nahezu Fotorealistisch) beeindruckte mich so derart, das ich mir wenig Gedanken über ein Bildbetrachtungstool machte. Alles was damals auf der GUI passierte, war überblickbar - determiniert und erforschbar. Die Fehlermeldungen - kryptisch und unmöglich zu entziffern (das Internet gab es zwar, aber nicht für mich) - es war einfach zu teuer. Erst ab 18:00 Uhr galt der günstigere Telefontarif, die Minutenpreise des ISP waren ebenfalls gesalzten und mit 36,6 KBaud im Netz zu surfen beschränkte meine Aktivitäten eher auf IRC und Newsgroups. Alles musste gut vorbereitet sein - was will ich schreiben und was will ich lesen. Bis 18:00 Uhr war da genug Zeit der Vorüberlegungen - ab 18:00 Uhr ging es dann los (immer im Hinterkopf der mögliche Herzinfarkt meines Vaters, wenn er die Telefonrechnung sieht). Diese Ehrfurcht der kurzen Zeit gibt es jetzt nicht mehr - die Informatik ist permanent geworden und hat alles temporäre verloren. Ich denke hier aber nicht nur an Temporär (rein Zeitlich) sondern auch Temporär im Sinne von Ressourcen - wir legten Temp Ordner an, für Dateien die wieder gelöscht werden sollen - Terabyte-Festplatten machen so etwas für den User heute eher nebensächlich - Festplattenbereinigungstools erledigen schon die Arbeit - bedenkt man das eine Surf-Session heutzutage schon mal viele hundert Megabyte an Browserdaten generiert die en passant hin und wieder mit einem Achselzucken gelöscht werden - 300 MiB weniger, das macht das Kraut auch nicht mehr fett. Diese nostalgische Reise in die Vergangenheit soll aufzeigen welche Kompetenzen im Umgang mit der IT des vorherigen Jahrtausends einhergingen. Data-Time-Management, Planungskompetenzen, Zeitdruck verbunden mit guter Vorbereitung usw aller Anfang ist teuer und der Schilling diktierte meine Lernmöglichkeiten (bedenkt man allein, das ein PC damals schon mal mehrere Monatsgehälter kosten konnte). Und wenn ich jetzt so idealistisch vom Side-Effekt der Informatik schreibe, muss ich aufrichtig genug sein, um einen Blick auf meine Elterngeneration zu werfen - als junger Student lauschte ich selbstverständlich den Erinnerungen meiner Professoren, die um ein Programm auf einem Großrechner durchlaufen lassen zu dürfen, jede Zeile gut und sorgfältig durchdenken mussten. Jeder Befehlssatz in dem Listing musste damals auf seine logische, syntaktische und informatische Korrektheit geprüft werden und valide sein - ein kurzer Versuch nur, 2 bis 3 Stunden vielleicht und gab es einen Bug, so musste man wieder weitere 3 bis 4 Monate warten um die Lochkarten durch den Uni-Rechner "jagen" zu dürfen. Kein Try-and-Fail und Auskommentieren einer möglich fehlerhaften Anweisung - nein, war ein Fehler im Script so bekam man einen Ausdruck (viele viele Seiten) des Hauptspeicher-Abbildes - äußerst kryptisch, was aber kein Problem war, den man hatte ja doch einige Monate Zeit für den nächsten Versuch - da kann man schon einmal ein Speicher-Abbild lesen um den Fehler im Assembly-Code zu finden. Aber zurück in meine Jugend, und ich schreibe noch immer von meiner Unterstufen-Jugend. Das alle Hilfetexte und Manuals damals hauptsächlich in Englisch verfasst waren, war m. E. eher kontraproduktiv. Ich saß natürlich brav im Englisch Unterricht und lauschte wie meine Mitschülerinnen kläglich nach dem Weg zum Bahnhof fragten, während ich, wenn ich "Bus" hörte im Geist natürlich ganz wo anders war. Natürlich, jedes Vokabel das mein damals gegenwärtiges Problem lösen konnte war mehr als willkommen - die Grammatik interessierte mich überhaupt nicht und die Sprache um zu Sprechen zu verwenden - gänzlich Unnötig. Das Resultat, ich lese jetzt englische Texte wie ein britischer Philologe, spreche aber wie ein ungebildeter englischer Bauersknecht und verstehe von der Sprache nichts - aber gar nichts. Im Europass sieht es wie folgt aus --> Lesen: C1+, Sprechen: A1, Hören: Alpha und weniger. Aber man kann es mir doch nicht übel nehmen - ich wollte doch nur ein paar Kilobyte EMS Speicher über die autoexec.bat freischaufeln! Also man sieht schon, das ein Fächerübergriff durch eine IT-Affinität des Schülers nicht immer eine positive Wendung nehmen muss. Und auch wenn ich jetzt immer wieder verlange, dass Englisch als Grundvoraussetzung für den Besuch eines meiner IT-Kurse gesetzt wird, so ist das gelogen - Englisch for IT-Professionals ist ein gänzlich anderes, als das Schul-Englisch vermittelt. Wie oft bräuchte man den Begriff "Back-Slash" in einer Welt ohne Informatik schon? Nie bis fast niemals - eine handvoll britischer Philologen und Textverarbeitungslehrer|innen vielleicht - mit einem Hash-Tag verfährt es nicht anders. Deshalb ist der Sinn eines Informatik-Unterrichts heute wohl wieder ein in den Anfängen tiefer philosophischer. Zu aller Anfang, ermittelt der junge Info-Schüler was als Quelle wahr bzw. fake ist. Das kritische Bewusstsein auf ein all-gegenwärtiges und voll-verfügbares Aussagenkonklumerat und der Versuch die Wahrheit aus den vielen Text, Bildern, bewegten Bildern und gesprochen Text heraus-zu-destilieren. Keine Aufgabe der Informatik! Die Informatik kennt nur die boolschen Begriffe Wahr und Falsch und nicht Wahr und Fake. Das soll sie nicht unbedingt sofort sympathisch machen, den wir kennen noch immer die Kritik an der philosophischen Logik:

Prämisse 1: [Alle Griechen sind Schwul]
Prämisse 2: [Sokrates ist Grieche]
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Syllogismus: [Sokrates ist Schwul]

Logisch absolut richtig, aber ob es der Wahrheit entspricht kann wohl nur Xanthippe selbst bewerten! Da nun aber die vielen Schüler|innen Produkte im Lauf der Zeit darauf ausgelegt sind, der nachfolgenden Schüler|innen Generation eine einfachere Schulzeit zu bescheren, wird die kritische Auseinandersetzung mit der Lehrstoffverteilung eines Informatik-Unterrichts immer diffiziler. Klassische und konservative Informatik-Lehrer|innen (wie ich auch einer bin) portionieren den Lehrstoff über drei große Entitäten (den halbherzige Blick auf Lehrpläne des BMUKK bzw. den Deskriptoren von BIFI können der 'Didaktik der Informatik' verpflichtete Lehrerinnen unterlassen, weil ...) Betriebssystem, Softwareentwicklung und Spezifikation die einzig möglichen Ansätze sind. Das Betriebssystem unterteilt sich in Hardware und Software - mit anderen Worten, der schöne Power-Point Vortrag über die Festplatte, den Hauptspeicher über die Peripherie. Gesetze des Betriebssystems sind die Gesetze der plattformunabhängigen Übertragbarkeit auf das RGB-Lichtgeflecht des Monitors, welches die Basis für alles schafft. Wie schon gehabt, übernehmen Sie einfach die Vorgaben ihres gratis Schulbuchs oder suchen Sie tatsächlich übereinstimmende Wahrheiten der Eingabemöglichkeiten (Maus, Tastatur oder Sprache) - das Betriebssystem entspricht dem Theater des Schauspiels, welches man zu interpretieren und im besten Fall zu beherrschen versucht. Alle großen Betriebssystem haben ihre Wahrheiten, die Schnittpunkte liefern. Selbst Windows öffnet über Ausführen|cmd seine Konsole, von den Unix-Derivaten (Linux, OSx) kennen wir es sowieso - damit jedes Betriebssystem weit in seine eigene Vergangenheit greift und API's bereitstellt, die schon immer da waren. Für den Schüler sicher ein Faszinationsmoment. Der zweite Bereich: die Softwareentwicklung oder Programmierung bietet in rein kognitiver Hinsicht so viele Kompetenzen, die niemals nie im Mathematik-Unterricht allein vermittelt werden können. In der Scholastischen Mathematik gibt es nur eine Lösung für ein Problem die brav linear gelernt werden soll. Sie firmieren unter dem Betreff "Lösungsweg" - und kommt ein Schüler zwar zum richtigen Ergebnis, aber nicht unter Einbehaltung des vorgegebenen Lösungsweg, kann dieser schon mal ein "Nicht-Genügend" ernten. In der Softwareentwicklung wäre eine solche Bewertung des Schüler|innen-Produkts eher kompliziert, weil es in der Softwareentwicklungen viele Lösungswege gibt. Ist eine iterative Lösung eines Problems gleichwertig zu einer verlangten rekursiven Lösung, nur allein weil die Rekursion als elegant gilt? Ich sage ja, solange der Code geparsed wird. Solange das Ergebnis der Anforderung entspricht - tut sie es nicht, so entsteht das pädagogische Moment des Sinn stiftenden Dialogs, welches zwischen der Trinität Lehrer - System - Schüler auf das Plenum der Schüler erweitert werden sollte. In dritter Ebene findet man die Spezifikation - didaktische vorherrschende Literatur spricht hier oft von einer Bezugswissenschaft, deren die Informatik verpflichtet ist. In einer Handelsakademie gelten andere Anforderungen wie sie für ein Gymnasium oder eine höhere technische Lehranstalt gelten. So ist in einem, die Nutzung von SAP, im anderen die Kenntnis von Prolog und im nächsten AutoCAD Kenntnisse von Nöten sind. Die Spezifikation ist immer eine Reduktion auf die intuitive Führung und das korrekte Nutzungspotential reduziert. Sie will definitiv nicht als einfach reduziert verstanden werden - sie ist aber determiniert und kann dadurch nur im Moment seine volle Entfaltung erfahren. So passiert es, das ein Architekt über die Möglichkeiten von AutoCAD höher sprechen kann, als es von einem Informatikprofessors höchster Güte möglich ist. Kein Problem - in einer Handelsakademie kennt der Wirtschaftsprofessor mehrere werkseitige Funktionen von Excel - der Wirtschaftsinformatiker aber kennt die Möglichkeit eigene Funktionen zu scripten. SAP und Excel - alle Office-Produkte - das ist die Spezifikation der Ausbildung. Informatik als Hilfswissenschaft zu verstehen ist die didaktische Aufgabe des Info-Professors der Sekundarstufe II.

Thomas Maier
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