Literatur
Conquest of Wetzelsdorf
vom 01. März 2019

Die besten Geschichten passieren nie im Zentrum - immer an der Peripherie. Selbst die Zentrierung eines Hauptakteuers lässt ihn im subtilen Genie seiner Mitakteure aufblühen - und dennoch glaubt der Leser im Mittelpunkt von allem Geschehen zu sein - der Leser irrt, da er die Handlung antizipiert um so das zentrale Moment nur als Projektion liefert - als Projektion seiner Erfahrung. Selbiges passiert auch der Leserin. Der Debutroman "conquest of wetzelsdorf" von einem aufstrebenden Schreiber und innenduo aus der Murmetropole, dem Schmelztiegel in dem akademische Lehre mit Literaturverständnis ständig neu gegossen wird, Graz, soll ich meine Aufmerksamkeit mit dieser Kritik widmen.

Da es bislang sehr wenig vergleichende Kritik zum Machwerk gibt, bleibt mir die undankbare Arbeit den Plot mit eigenen Worten hier ins Internet zu pressen (ich fühle mich wieder wie 14). Die Schreiber|innen des Textes platzierten ihn autogeographisch in die Steirische (Kultur) Hauptstadt Graz. Die Protagonisten sind jeweils an einem und am anderen Rand der Stadt zu finden - der Fluss trennt sie in Links und Rechts von der Mur [people on the river verstehen sofort worum es geht]. Und so sind auch die zwei Protagonisten in allen Eigenschaften gänzlich stereotyp verschieden. Der Eine: Männlich, wuchs in reichen Verhältnissen auf und lebt arm, studiert und heißt Michael. Die Andere: Weiblich, wuchs in armen Verhältnissen auf und lebt reich, arbeitet und heißt Andrea. Die Begründung für das gegenwärtige Leben ist subtil in den Text eingehägelt, aber relativ leicht zu decodieren. Ihr reicher Lebensstiel (sie gibt viel Geld für Make-Up, Frisur und teuren Schnapps in billigen Kneipen aus) begründet sich aus einem Gefühl der Hoffnungslosikeit gepaart mit dem Wunsch sich von der Masse abzuheben - unique zu sein, koste es was es wolle. Sein armes Leben resultiert ebenfalls aus einem tiefen Wunsch und einer Hoffnungslosigkeit - seine Hoffnung wurde Opfer seines Wissens z. B. das sich alles änderen wird, sobald ein Kind geboren wird, und das eigentlich alle Bemühungen eher sinnlos macht - er sieht sich in seiner Phantasie selbst als Doktor der Psychatrie und wird dann doch nach der Geburt seines ersten Kindes als Tanzlehrer arbeiten? Er weiß, dass alle Statussymbole die er sich erwirtschaften könnte, ein Motorrad, ein Auto, Goldketten udgl. nach der Geburt seines ersten Kindes wie kindisches Spielzeug erscheint. Und sein Wunsch: das erste Kind. Und so fristet er ein Leben in dem prä-natalen Zustand seines ersten Kindes, wie Tausende, Millionen andere auch. Aber er bekommt Charakter durch sein Verhältnis zu seinem Vater und einer von vielen Kindheitserfahrungen in dem er mit seinem Vater, der Primar am Landeskrankenhaus ist, Fahrrad-Touren unternahm.  Eigentlich holte der Vater das Kind regelmäßig mit dem Rad von der Schule ab - über Tage, Monate und Schuljahre hindurch. In dieser "kurzen" Radtour erlebte er väterliche Führsorge und er liebte es. Sein Fahrrad wurde ihm heilig. Durch ein blödes Gerede, bekommt er den Auftrag einen Radweg zwischen dem Landeskrankenhaus St. Leonhard und dem Unfallkrankenhaus Eggenberg zu finden - er wird scheitern und Wetzelsdorf endecken - damit aber auch seine Liebe finden und so wird sein Scheitern die Erfüllung seiner Sehnsüchte. Sie, die Gefundene, lebte ein Leben auf höchster Risikostufe. Wo doch in ihrem Umfeld, ein Tenor einer braven Frau, einer braven Ehefrau auf sie einbrüllt, setzt sie alles auf eine Farbe und will trotz aller Monotonie ihrer Existenz das Undenkbare schaffen und das Unvorstellbare möglich machen. Sie wirft ihr Geld zum Fenster hinaus - bezahlt Lokalrunden in Lokalen wo sie die selben Personen wie immer trifft. Sie wirft Münzen in den Einarmigen-Bandiden und hofft dabei nicht auf Sieg, sonder auf Aufmerksamkeit für das sinnlose Investment. Die gut-bezahlte Position als Regalbetreuerin in einem Diskont-Lebensmittelbetrieb lässt sie Reich erscheinen - nun mal ist sie reicher als jeder Student es sein könnte, nähme er sein Studium ernst. Das Gesamtwerk ist sowohl psychologisch als auch soziolische fein ausgearbeitet. So trennt das Autorenteam jene Teile, die sich der Soziologie zuweisen lassen mit den Teilen die rein Psychologisch begründbar sind, wobei das Interesse den Fokus auf die korrespondierende Wissenschaft setzt. Meint der Leser (und auch die Leserin) eine feine Ektomie zwischen dem Soziologischem und dem Psychologischen zu erkennen, wird dem Leser erst bewusst wie sich beide Wissenschaften verbinden um so dem Hauptauftrag gerecht zu werden - dem Hauptauftrag eine Geschichte zu erzählen. Andere würden die vielen sauber ausgearbeitenden geo- und topographischen Merkmale der Stadt Graz hervorheben, aber ich persönlich (m. E.) will mich nicht davon ablenken lassen, dass es im Osten von Graz Elite-Schulen gibt und im Wesen sich eine deutsche Billig-Preis-Filiale eingelebt hat um so eine Dialektik zwischen ihrer Verfügung und dem sich dem sich darbietenden Realismus entgegen setzt. So ein ein Philosophie wurde ihr, Andrea, mitgeteilt. Grundsätzlich möchte ich an diese Literaturkritik meine persönliche Unbefangeheit anhängen, was mich sowohl als Kritikschreiber und auch uns als Kritikleser von seinem individuellen Standpunkt entfernt um so sowohl dem eine als auch dem anderen den Kritik-Moment seiner nähre Bestimmung verleiht. Es entfernst sich von Zeile zu Zeile einer realistischen Darstellung. Deshalb kann das intellektuelle Moment der Erkenntnis (welches sich im Lesen des Romans mehrmals ergibt) nur als ein Merkmal erscheinen, das in einem wegsuchenden Prozess eine Erkenntnis wiedergibt. Die reine Darstellung des Textes ist ein Versuch sowohl in den korrespondieren Wissenschaften gut und ehrlich hervor-zu-gehen, als auch das Künstlerische dem Narrative zu-zuweisen. Der Aspekt ist definitiv Equivalent. Damit kann der Aspekt niemals-nie das normiernde Äquivalent werden. Aber, der Text beantwortet noch immer Fragen, die nie gestellt wurden!

Thomas Maier
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